Colunga – Aus dem prognostizierten Mehrkampf um den Sieg bei der 71. Vuelta ist ein Duell Heißsporn gegen Taktiker geworden. Die Radprofis Nairo Quintana und Chris Froome haben die größten Chancen, am 11. September in Madrid ganz oben auf dem Treppchen zu stehen.
Ihre Herausforderer sind die spanischen Haudegen Alberto Contador, der Alles oder Nichts spielt, und Alejandro Valverde. Der Edelhelfer von Quintana verspricht aber Loyalität.
Quintana zeigte dem dreifachen Toursieger Froome zuletzt die Grenzen auf und eroberte am Montag auf der zehnten Etappe das Rote Trikot des Gesamtführenden. Am folgenden Ruhetag sprach sich der Kletterspezialist für ein Verbot der am Lenker montierten Powermeter-Computer aus. «Sie ersticken das Spektakel, denn mit ihnen fährt man viel vorsichtiger. Ich wäre dafür, sie aus den Rennen zu verbannen.»
Die Position für starke Sprüche dieser Art erarbeitete sich der Movistar-Kapitän durch tolle Kletterpartien. Zweimal enteilte der Spezialist, der den avisierten Sieg bei der Tour de France im Juli auf Rang drei verpasst hatte, Froome. Auf der der achten Etappe nahm er dem Briten am Alto de la Camperona mit einem couragierten Soloritt 33 Sekunden ab. An den Lagos de Covadonga ließ er 25 Sekunden folgen.
Quintana hatte auf dieser zehnten Etappe schon knapp eine Minute herausgeholt, bevor Froome aufdrehte und in einer bemerkenswerten Aufholjagd den Rückstand noch verkürzte. «Ich habe dabei kaum aufs Powermeter geschaut und mich viel stärker von den Signalen meines Körpers leiten lassen», versicherte der Brite. Froome ist bemüht, sein Image als Radsportroboter, der immer nur Wattpläne erfüllt und die Instinkte unterdrückt, loszuwerden.
In dieser Spanien-Rundfahrt, in der Froome das seltene Double aus Tour- und Vueltasieg schaffen will, ist er auf den Gebrauch der kleinen Leistungsmesser aber stärker angewiesen als je zuvor. Er braucht sie zur Schadensbegrenzung. Quintana ist so stark, dass der Brite ihn erst einmal ziehen lässt und dann seine Kraftanstrengung für die Aufholjagd kalkuliert. Sein größter Trumpf: Das Zeitfahren am drittletzten Tag über 39 Kilometer.
«Das Schlimmste, was dir passieren kann, abgesehen von einem Sturz, ist, einen Anstieg zu schnell anzugehen und dann in den roten Bereich zu kommen», berichtete der Sky-Kapitän. Das passierte Froome offenbar am Alto de la Camperona. Da wurde er auch vom nach seinem Sturz lädierten Contador stehen gelassen.
Zwei Tage später schätzte Froome seine Kräfte besser ein – und verblüffte damit Contador. Der Spanier dachte, Froome sei am Limit, und ging deshalb mit Quintana mit. Am Ende aber überholte ihn Froome. «Ich weiß, ich hätte konservativer fahren müssen. Aber ich kann meinen Stil nun einmal nicht ändern», meinte der Tinkoff-Profi, dessen Traum vom vierten Vuelta-Sieg in weite Ferne gerückt ist.
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(dpa)