Paris – Wenige Tage vor Beginn der 105. Tour de France hat der vom Doping-Vorwurf freigesprochene Chris Froome vorsichtige Erklärungsversuche unternommen.
Tatsächlich habe der am 7. September 2017 in Spanien gemessene Wert des Asthmamittels Salbutamol in seinem Urin weit weniger über dem erlaubten Limit gelegen als bisher publiziert, argumentierte der britische Radprofi. Zudem hätten eine Dehydrierung nach der schweren Etappe auf den Los Machucos und die Einnahme weiterer Medikamente gegen eine Infektion die Messung beeinflusst. Froome kommt zu dem zynischen Schluss: «Ich freue mich, weiter ein Botschafter für einen sauberen Radsport zu sein». Das sagte er der Londoner Zeitung «Times».
Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA, deren Empfehlung den Weg zum Tourstart des viermaligen Triumphators endgültig frei gemacht hatte, setzte einen Grenzwert von 1000 Nanogramm pro Milliliter fest. Dazu gebe es allerdings einen Ermessensspielraum bis 1200 Nanogramm, erklärte WADA-Wissenschafts-Direktor Oliver Rabin. Froome bezifferte seinen Wert bei der ominösen Kontrolle vor seinem Vuelta-Sieg auf 1429 Nanogramm. Bisher war immer von knapp 2000 und einer nahezu hundertprozentigen Überschreitung die Rede gewesen.
Froome hat «Verständnis» für die Skeptiker, wie er sagte. «Der Radsport hat eine schwierige Geschichte, und ein mehrfacher Toursieger muss mit Misstrauen rechnen und sich den Fragen stellen», erklärte der umstrittene Sky-Kapitän der «Times» und kam zu einem zynischen Fazit nach der Devise: die böse Vergangenheit – ich bin unbescholten.
Viele Zuschauer an der Strecke werden es ab Samstag womöglich anders sehen – Froome, der 2015 schon einmal in einer Ekel-Attacke mit Urin überschüttet wurde, droht ein Spießrutenlauf durch Frankreich. Bodyguards sind engagiert. «Ich hätte nichts als einen kompletten Freispruch akzeptiert», erklärte der schmale Brite, der zum fünften Toursieg rüstet und am Mittwoch in Westfrankreich eintraf.
Auch die WADA war nach dem viel diskutierten Freispruch im Verteidigungs-Modus. «Das war nicht das erste Mal, dass wir eine zu hohe Salbutamol-Konzentration überprüft haben. Das Außergewöhnliche an diesem Fall war, dass Froome ein sehr bekannter Sportler ist und sein Fall durch Indiskretion in die Presse gelangte», erklärte Rabin der Internetplattform «cyclingnews» und wies den Vorwurf des Prominenten-Rabatts zurück: «Wir verhalten uns in solchen Situationen immer gleich, jetzt und in Zukunft».
Der Seriensieger Froome ist seit dem 4. Mai auf Rekordkurs. Sein äußerst spektakulärer Sieg beim Giro d’Italia, erst in einem historischen Endspurt herausgefahren, bedeutete den dritten GrandTour-Sieg in Serie. Das hatten vor ihm nur Eddy Merckx (1972/73) und Bernard Hinault (1982/83) geschafft. Jetzt wartet der vierte Streich am Stück. Als fünfmalige Toursieger bilden Jacques Anquetil, Merckx, Hinault und Miguel Indurain einen exklusiven Club. Er könnte durch Froome erweitert werden.
Mit einem weiteren Triumph in Frankreich gelänge ihm zudem das seltene Double von Giro und Tour, an dem vor drei Jahren der einst als Doper überführte Alberto Contador aus Spanien gescheitert war. Die bemerkenwerte Doublette gelang zuletzt 1998 dem 2004 gestorbenen Italiener Marco Pantani.
Der erhöhte Salbutamol-Wert bei Froome war erst im Dezember 2017 öffentlich geworden – nach Recherchen der Zeitungen «Guardian» und «Le Monde». Der Brite hatte daher noch unbehelligt bei der WM im September 2017 in Norwegen starten und Bronze im Zeitfahren holen können. Bei der diesjährigen Italien-Rundfahrt gelang ihm einmal mehr ein wahrer Scoop: Seinem führenden Landsmann Simon Yates jagte er mit einem sagenhaften Solo über 80 Kilometer am drittletzten Tag noch das Rosa Trikot ab – und sähte damit weiteres Misstrauen.
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(dpa)