Mûr-de-Bretagne – Bei der Tour-Premiere des Küchenabzug-Herstellers als Radsport-Sponsor war eine am Kran baumelnde gläserne Küche die Attraktion. Drei Jahre später ist beim Team Bora-hansgrohe Peter Sagan der Hingucker.
Der vom Tour-Zentralorgan «L’Équipe» als «Rockstar des Pelotons» gewürdigte Mehrfach-Weltmeister ist sportlich und medial ein Juwel. «Peter ist der teuerste Fahrer im Feld und jeden Cent wert. Niemand ist in der Öffentlichkeit so präsent», schwärmte sein Teamchef Ralph Denk. Er zog sich den charismatischen Slowaken mit Hilfe seines Sponsorenpools aus deutschen Mittelständlern und eines kalifornischen Radherstellers an Land.
Um seinen Topstar herum hat er sich ein Team gebaut, das auf Routiniers wie den zehnmaligen Tourstarter Marcus Burghardt und die diesmal in Frankreich geschonten Youngster Pascal Ackermann und Emanuel Buchmann setzt. Sie stehen noch im Schatten, denn «Peter nimmt viel Licht, aber auch den Druck», befand Denk, der den Slowaken mit der tiefen Stimme, dessen Vertrag 2019 ausläuft, weiter an sich binden will.
«Ich glaube, Peter will auch bleiben. Wir sprechen nach der Tour darüber», sagte sein Chef, der pro Saison geschätzte fünf Millionen Euro für Sagan auf den Tisch legen muss. Aber der Teamkapitän, der am 12. Juli den Rekord des einstigen Sprintidols Erik Zabel von 89 Tagen im Grünen Trikot um zwei Tage übertreffen wird, schätzt seinen deutschen Arbeitgeber auch wegen dessen Großzügigkeit abseits prall gefüllter Kassen. «Wir lassen ihm viele Freiheiten, das braucht er. Zum Beispiel darf er bei uns im Winter Skilaufen – wir gehen das Risiko ein», erklärte Denk.
Der 35 Jahre alte Burghardt ist einer der wichtigsten Sagan-Helfer, bei der Tour und den Frühjahrs-Klassikern. Er kann sich keinen besseren Kapitän vorstellen: «Peter hat eine wahnsinnige Verantwortung. Er hat jedes Rennen Druck. Das handelt er super und gibt es nie irgendwie ans Team weiter – das macht ihn schon besonders».
Neben seinem dritten WM-Titel im Vorjahr, dem Sieg bei Paris-Roubaix in diesem Frühjahr und seiner aktuellen Tour-Brillanz gab es mit Sagan aber auch bittere Stunden zu überstehen. 2017 wurde der Profi wegen eines angeblichen Fouls gegen Mark Cavendish und John Degenkolb nach der vierten Etappe disqualifiziert. Erst Monate später rehabilitierte ihn der Weltverband UCI und entschuldigte sich für die Demission. Zum Tour-Auftakt sprintete der ehemalige Mountainbiker wieder mit Haken und Ösen zum Sieg – der Degenkolb-Protest wurde abgeschmettert.
Das sind natürlich nicht die Gründe, warum in Deutschland die Wahrnehmung des Topteams aus Raubling noch immer zu wünschen übrig lässt und keinen Vergleich mit dem einstigen Hype um das Team Telekom aushält. «Bei uns wird der Radsport nur während der Tour de France wahrgenommen. Davor und danach findet er nicht statt. Außerdem fehlt uns leider Gottes ein deutsches Aushängeschild, und die Doping-Vergangenheit macht uns weiter zu schaffen», nannte Denk Gründe für die eher gebremste Begeisterung.
Mögliche Verpflichtungen eines Marcel Kittel oder André Greipel kämen laut Denk wegen Interessenskonflikten mit Sagan nicht in Frage. Die Rundfahrt-Hoffnung Maximilian Schachmann ist ans belgische Team Quick-Step gebunden.
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(dpa)