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Bergerac – Es könnte knapp werden für John Degenkolb. Am 1. August, also gut eine Woche nach der Tour de France, soll seine hochschwangere Ehefrau Laura die gemeinsame Tochter zur Welt bringen. Passiert es früher, würde sich der Radstar direkt auf den Weg nach Oberursel machen.

«Ich hoffe, dass ich nicht auf den letzten Drücker noch nach Hause muss. Im Moment sieht aber alles gut und entspannt aus», sagt Degenkolb, den nur die Geburt seines zweiten Kindes zum Ausstieg bei der 104. Frankreich-Rundfahrt bewegen könnte.

Die höllischen Schmerzen nach dem schweren Crash vor gut einer Woche waren für den 28-Jährigen indes kein Grund zur Heimreise. Degenkolb war in Vittel als Kettenreaktion nach der spektakulären Rangelei zwischen Weltmeister Peter Sagan und Mark Cavendish heftig zu Fall gekommen, hatte dabei eine schmerzhafte Schultereckgelenkverletzung und Schürfwunden am Rücken erlitten. Schon das morgendliche Anziehen war für den Klassikerspezialisten eine Qual.

Aber Degenkolbs Schmerzempfinden ist sehr niedrig. Kein Wunder für einen Mann, der den Frühjahrsklassiker Paris-Roubaix mit den brutalen Kopfsteinpflasterpassagen als sein Lieblingsrennen ansieht. Und der Radprofi vom Team Trek-Segafredo hat schon weitaus schlimmere Sachen überstanden – wie etwa den Trainingsunfall am 23. Januar 2016, als eine Britin im Süden Spaniens in Degenkolbs Trainingsgruppe gerast war. Fast ein halbes Jahr war der Klassikerjäger daraufhin mit einem Unterarmbruch und einer schweren Handverletzung ausgefallen.

Das habe ihn damals weit zurückgeworfen, aber inzwischen sei er längst wieder auf dem Level wie vorher, sagt der ehemalige Gewinner von Mailand-Sanremo und Paris-Roubaix. «An der Grundeinstellung, wie ich im Feld fahre, hat sich nichts geändert», sagt Degenkolb. Dass es bei der Tour «extrem hektisch» zugeht und mit «Haken und Ösen» gefahren wird, schreckt ihn nicht ab.

Bei den Sprints ist er regelmäßig dabei, zuletzt in Nuits-Saint-George reichte es zu einem fünften Platz. Aber an Seriensieger Marcel Kittel ist aktuell nur schwer ein Vorbeikommen. Degenkolb setzt eher auf eine schwerere Zielankunft wie etwa in Rodez am Samstag. Dort hatte er 2015 schon einmal den vierten Platz belegt.

Doch die Tour und Degenkolb, das ist bislang noch keine Liebesbeziehung. Bei zahlreichen Rundfahrten wie bei der Vuelta (zehn Etappensiege) hat er bereits triumphiert. Nur bei der Tour wartet Degenkolb auch bei seiner fünften Teilnahme auf einen Erfolg. Vielleicht klappt es aber doch noch. Dass einige Sprinter die Tour bereits verlassen haben, sei «hilfreich».

Womöglich kommt ihm auch eine neue Konstellation innerhalb des Teams entgegen. Bislang musste Degenkolb auch Helferdienste für Kapitän Alberto Contador verrichten. Seit der Königsetappe am Sonntag sind die Chancen den Spaniers auf den dritten Gesamtsieg aber auf ein Minimum gesunken. Das könnte Degenkolb größere Freiheiten bescheren. Der Einzelkämpfer wird es weiter versuchen. Es sei denn, Laura ruft an.

Fotocredits: Dirk Waem
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