Hamburg – Nach dem Rennen herrschte in Hamburg Chaos: Keiner wusste, wer gewonnen hat. Die 21. Auflage der Cyclassics in Hamburg, die der Australier Caleb Ewan nach Protest gegen den Franzosen Nacer Bouhanni gewann, wurde von der Jury entschieden.
Ein Jahr nach dem Erfolg von André Greipel trug sich der Australier nach 217,7 Kilometern überraschend in die Siegerliste des einzigen deutschen WorldTour-Rennens ein und kam vor John Degenkolb ins Ziel.
«Bouhanni hat im Schlussspurt seine Linie verlassen und mich behindert. Ich weiß gar nicht genau, ob mein Team protestierte, aber egal – ich habe gewonnen, obwohl ich einen regulären Erfolg besser gefunden hätte», sagte Ewan, nachdem der eigentlich schnellste, aber unsauber sprintende Bouhanni zurückversetzt worden war. «Nach dem Sturz auf der Zielgeraden ging es drunter und drüber. Ich kam von sehr weit hinten und wollte eigentlich nur Schadensbegrenzung betreiben. Aber am Ende bin ich glücklich über den zweiten Platz», erklärte Degenkolb.
Bouhanni, der sich vor der Tour de France bei einer Schlägerei die Hand verletzt hatte und deshalb beim Saisonhöhepunkt in seinem Heimatland nicht starten konnte, hatte eine «Welle» gefahren und den Australier dabei deutlich behindert.
Degenkolb, 2013 in Hamburg Sieger, hat sich mit einem starken Rennen erfolgreich zurückgemeldet. Der Klassikerjäger, der im Januar folgenschwer gestürzt war, bewies nach seinem Sieg auf der Final-Etappe des Artic-Race in Norwegen am vergangenen Sonntag, dass er wieder auf altem Leistungsniveau angekommen ist. Greipel, der nach der Tour eine kurze Pause eingelegt hatte, schaffte es nicht, seinen Vorjahreserfolg in der Hansestadt zu wiederholen. Er fuhr auf Rang zehn.
Bis wenige Kilometer vor dem Ziel hatte eine sechs Fahrer starke Ausreißergruppe das Rennen, das vier Mal über den bis zu 15 Prozent steilen Waseberg führte, bestimmt. Sie hatten unmittelbar nach dem Start erfolgreich attackiert. Am Schluss waren es noch vier der Ausreißer, die gegenhielten. Das Feld mit den Sprintern an der Spitze stellte die letzten Ausreißer erst etwa 600 Meter vor dem Zielstrich. Kurz danach hatte ein Sturz auf der Zielgeraden alles nocheinmal durcheinandergebracht.
Udo Sprenger, der Vize-Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR), hatte schon vor dem Rennen klargemacht, das er den Ausgang noch nicht als Fingerzeig für die Straßen-WM gewertet wissen will. Über die Kapitänsrolle im deutschen Team bei der Straßen-WM am 16. Oktober in Katar soll zwischen Greipel und Kittel – beide gewannen bei der Tour de France je eine Etappe – «bis Ende des Monats» entschieden werden.
«In einem Gespräch mit mir haben sowohl Kittel als auch Greipel ihre Ansprüche auf die Kapitänsrolle angemeldet. Neben der Zusammensetzung der Mannschaft werden wir nach einem Treffen mit unserem Sportdirektor und den beiden Teamchefs der infrage kommenden Profis auch darüber entscheiden», erklärte Sprenger. Es werde nur einen Kapitän geben, meinte der Funktionär.
Das in Katar favorisierte deutsche Team kann – so Sprengers Rechnung – neun anstatt sechs Fahrer an den WM-Start bringen. Platz zwei und zehn in Hamburg gaben nach seinen Worten den Ausschlag. Zuletzt hatte Deutschland 1966 in dem im Juni verstorbenen Rudi Altig einen Profi-Weltmeister im Straßenradsport gestellt.
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(dpa)