Berlin – Manchmal sind es Zufälle, die eine Leidenschaft entfachen – und im Weltrekord enden. Im Fall des Extrem-Radsportlers Christoph Strasser war das genau so. Im Jahr 2002 will der heute 34-jährige Österreicher mit zwei Freunden an einer Radrenn-Staffel über 24 Stunden teilnehmen.
Kurz vor dem Start sagen seine beiden Mitstreiter ab – Strasser absolviert das Rennen kurzerhand alleine. «Das Ganze entstand quasi aus einer Laune und einem Zufall heraus. Ich bin vorher noch nie ein Radrennen gefahren», erzählt Strasser der Deutschen Presse-Agentur.
Am vergangenen Sonntag stellte Strasser in Grenchen in der Schweiz einen 24-Stunden-Weltrekord auf der Bahn auf. 941,873 Kilometer verteilt auf 3767 Runden spulte er trotz Magenproblemen auf dem 250 Meter langem Holzoval ab. Er übertraf die sieben Jahre alte bisherige Bestmarke des Slowenen Marko Baloh um 38,113 Kilometer. Nur einmal, nach 22 Stunden, stieg der Unermütliche für eine kurze Toilettenpause vom Rad. Nahrung nahm er nur in flüssiger Form zu sich.
«Mir ist bewusst, dass es aufgrund der Monotonie eine ziemlich verrückte Sache war, 24 Stunden im Kreis zu fahren. Von der Bahn habe ich jetzt erstmal genug», sagt Strasser mit einem Lachen und ergänzt: «Als ich wusste, dass ich den Rekord habe, ist ein ganz schöner Ballast von mir gefallen. Die letzten 58 Minuten konnte ich richtig genießen und dachte: «Jetzt habe ich die 24 beschissensten Stunden meines Lebens auf dem Rad gleich geschafft».»
Im März 2015 hatte Strasser Anlauf im Freien genommen. 896 Kilometer fuhr er bei Temperaturen um den Gefrierpunkt und viel Gegenwind auf dem ehemaligen Flughafen-Gelände Tempelhofer Feld in Berlin. Viermal konnte sich Strasser zudem in die Siegerliste des prestigeträchtigen «Race Across America» (RAAM) verewigen. Über 4800 Kilometer führt das seit 1982 ausgetragene Ultra-Radrennen von der West- zur Ostküste der USA. Es gilt als das härteste Radrennen der Welt.
«Ab einem bestimmten Punkt muss man einfach versuchen, den Kopf auszuschalten und das Ding durchzuziehen», sagt Strasser. Als erster Athlet gewann er das RAAM im Jahr 2013 in unter acht Tagen und unterbot diesen Rekord im nächsten Jahr um knapp sieben Stunden. Als verrückt will er sein Tun nicht abstempeln lassen. «Ich finde es verrückt, wenn man mit 140 Stundenkilometer eine Skipiste wie die Streif in Kitzbühel runterfährt.»
Dass bei solch extremen Leistungen auch Zweifel aufkommen, kann Strasser nachvollziehen, entgegnet aber: «Bei uns gibt es kaum oder gar kein Preisgeld – allerhöchstens mal einen Blumenstrauß oder einen warmen Händedruck. Zudem bewegen sich die Wattwerte im Grundlagenbereich. Das ist nicht vergleichbar mit einem Rennen wie etwa der Tour de France.»
Einen Wechsel in den Straßen-Radsport kam für Strasser nie in Frage. «Es gab nie Angebote», erzählt er und erklärt: «Ich bin eine Art Eventmanager. Ich plane die Wettkämpfe, die Reisen, kümmere mich um Sponsoren und um alles andere. Da bekommt man einen anderen Zugang als ein Straßenprofi, der vor dem Rennen aus dem Bus steigt, da ein sauberes Rad mit geschmierter Kette stehen hat und damit direkt an die Startlinie fährt. Das wäre mir zu langweilig.»
«Riesenleistung, beachtlich, beeindruckend – aber für mich wäre das nichts», sagte der Sportdirektor der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft, Ex-Radprofi Robert Bartko, der in Sydney auf der Bahn zweimal Olympia-Gold holte.
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(dpa)