Tortoli – Die Symbolik stimmte: Der «Gorilla» mit der Starnummer 100 gewann die 2. Etappe des 100. Giro d’Italia und trug zum ersten Mal in seinem Leben das Spitzenreiter-Trikot einer großen Landesrundfahrt.
André Greipel konnte sein Glück als Schnellster im Ziel in Tortoli kaum fassen. Er fühle sich an Kindertage erinnert, an denen er von solch einem Erfolg geträumt hatte, sagte der 34-Jährige. Den Sieg widmete er seiner schwerkranken Mutter in Rostock.
«Der Gorilla brüllt in Rosa – zum ersten Mal», überschrieb der Veranstalter seine Pressemitteilung am Nachmittag. «Für mein Team und besonders für mich war das sehr speziell», hatte Greipel am Samstag nach dem Coup gesagt.
«Es gibt nur wenig Chancen in der Karriere, als Sprinter ein Leader-Trikot einer großen Länderrundfahrt zu holen. Man spürt hier in Italien eine regelrechte Euphorie, besonders wegen des 100. Jubiläums. Sie sind in den Radsport verliebt – das ist eine unglaubliche Atmosphäre», erklärte der Mann in Rosa stolz. Auf dem Siegerpodest spritzte er im Konfetti-Regen nach Formel-1-Manier mit Prosecco. Auf seinen Wangen leuchteten in der Sonne die roten Lippenabdrücke der Hostessen nach den Siegerküsse.
Nach der erfolgreichen Mission «Siebter Etappensieg» herzte der bullige Rostocker seine Teamkollegen im roten Lotto-Soudal-Dress. «André ist ein sympathischer Mensch und anerkannter Kapitän. Alle im Team schauen zu ihm auf und machen, was er sagt», lobte ihn sein Team-Manager Marc Sergeant. In einem dreiteiligen Video, womit er auch der öffentlichen Wahrnehmung seiner Person auf die Sprünge helfen will, charakterisierte sich Greipel als Mann mit zwei Gesichtern: impulsiv bei der Arbeit auf dem Rad, ganz brav und lieb als Familienvater zu Hause.
Der dreimalige deutsche Straßenmeister, der manchmal auf den ersten Blick ein bisschen spröde und einsilbig wirkt – zumal im Vergleich zu «Sonnyboy» Marcel Kittel -, ist die Verlässlichkeit in Person. Zusammengerechnet gewann der in Hürth lebende Rostocker bisher beim Giro (7), der Tour de France (11) und Vuelta (4) 22 Etappen. Den nächsten großen Coup plant er bei der am 1. Juli in Düsseldorf startenden Tour. Dafür wird er den Giro – der längeren Erholungszeit wegen – wohl spätestens zu Beginn der letzten, harten Woche in den Dolomiten verlassen.
Die Italien-Rundfahrt hatte am Freitag mit einer herben Enttäuschung für Greipel begonnen. Im Ziel der Auftakt-Etappe in Olbia hatte ihm und den anderen Topsprintern der freche Österreicher Lukas Pöstlberger vom Bora-hansgrohe-Team die Show gestohlen. Einen Tag später lief alles besser. Greipel holte als 23. deutscher Radprofi das Maglia Rosa, das zuletzt im vergangenen Jahr Kittel getragen hatte. Sein vermeintlicher gefährlichster Rivale Caleb Ewen rutschte im wilden Schlussspurt aus den Pedalen.
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(dpa)