Doha – Einsam und verlassen stehen zwei dänische Fans am Streckenrand und feuern ihre Fahrerin an. Zwischen den imposanten Bauten auf der künstlichen Luxus-Insel The Pearl ist jedes ihrer Worte zu hören, denn ansonsten herrscht völlige Stille.
Später, bei der Entscheidung des Frauen-Rennens, finden sich keine 50 Zuschauer im Zielbereich ein, der Streckenkommentator hätte auch jeden einzeln begrüßen können. Auch von den Anwohnern traut sich bei Temperaturen von bis zu 40 Grad keiner vor die Tür.
So finden die Straßenrad-Weltmeisterschaften in Doha quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Wo in Radsport-Traditionsländern wie Italien, Belgien oder Frankreich hunderttausende Anhänger bewaffnet mit Fahnen, Trompeten und allen möglichen Krach machenden Utensilien an den Straßenrand pilgern, erlebt die Radsport-Szene in Katar genau das Gegenteil. Bei den Siegerehrungen sind die Fotografen die einzigen Zuschauer.
«Das ist schon traurig, echt schade. So etwas gab es noch nie», schimpfte Trixi Worrack, die mit 35 Jahren schon gut ein Dutzend Weltmeisterschaften mitgemacht hat. Ex-Weltmeisterin Lisa Brennauer gibt sich diplomatischer: «Wir haben schon andere Rennen erlebt. Natürlich wären mehr Zuschauer schön, das gibt einem den Extra-Push. Aber die, die da sind, geben Gas.»
Auch Tony Martin, der am Mittwoch im Einzelzeitfahren sein zweites Rennen bestritt, kann einer Rad-WM in Katar wenig abgewinnen. «Aber man weiß ja, warum das Rennen hierher gegangen ist: Geld regiert die Welt», sagte der mehrmalige Weltmeister. Ex-Präsident Pat McQuaid hatte den Deal mit Katar eingefädelt. Es war eine von vielen undurchsichtigen Entscheidungen in seiner Amtszeit. Genauso wie dieser Termin im Oktober, wenn in Katar für Sportler gesundheitsschädliche Temperaturen herrschen.
Für die Gastgeber mit ihren vielen Öl-Milliarden ist es indes ein weiteres Top-Event, womit sie sich profilieren können. Schwimm-WM auf der Kurzbahn 2014, Handball-WM 2015, Rad-WM 2016, Leichtathletik-WM 2019 – und als Krönung die Fußball-Weltmeisterschaft 2022. Dafür wird in der ganzen Stadt bereits mächtig gewerkelt. Auf einem Gebiet, das so groß ist wie Schleswig-Holstein ist, werden zwölf hochmoderne Stadien entstehen.
Die Fußballer haben dabei den Vorteil, im Winter bei gemäßigteren Temperaturen zu spielen. Im Frauen-Rennen am Dienstag mussten erneut Fahrerinnen medizinisch versorgt werden. «Das Problem ist, dass viele nicht die Möglichkeit hatten, einige Tage früher anzureisen. Ohne Akklimatisierung wird es bei diesen Bedingungen schwer», erklärte Brennauer.
Am Donnerstag beginnen die Straßenrennen. Dann sind ähnliche Szenarien zu befürchten, wenn schon Junioren rund 130 Kilometer zurücklegen müssen. Aber allzu viele Zuschauer werden das ja kaum live miterleben. Bei der Handball-WM hatten die Gastgeber noch Zuschauer kostenlos eingeflogen, damit die Hallen nicht komplett leer blieben. Auch Gastarbeiter wurden als Stimmungsmacher rekrutiert. Bis zum Männerrennen, dem Höhepunkt am Sonntag, verbleiben noch einige Tage. Vielleicht lässt sich Emir Scheich Tamim bin Hamad al-Thani noch etwas einfallen.
Fotocredits: Str
(dpa)