Gera – Gefeierter Olympiasieger von Seoul, als Sport-Star in der DDR umjubelt und später als Teamchef weiter ein Strippenzieher in der Radsport-Szene: Olaf Ludwig kennt das ganz große Profigeschäft und all seine Tücken – hat all das aber längst hinter sich gelassen.
Vor seinem 60. Geburtstag am Ostermontag ist der Thüringer zu Hause in Gera – wo auch sonst, in diesen turbulenten Zeiten? Dem Rad ist er treu geblieben, auch wenn er mit der Profi-Tour heute nichts mehr zu tun hat. Stattdessen organisiert er Radreisen nach Bulgarien oder Hobby-Rennen auf Rügen.
«Wir haben den Titel Fitness, Wellness, Land und Leute. Wir fahren Sehenswürdigkeiten an. Es gibt eine Gruppe, in der es nicht darum geht, wer wie schnell fahren kann. Man soll auch das Land kennenlernen», sagt Ludwig der Deutschen Presse-Agentur zu seiner «Bulgarian Cyclingtour», die er gemeinsam mit seinem Partner Jörg Strenger betreibt. Es gehe bei den Reisen nicht nur darum, möglichst schnell und möglichst weit zu fahren, sondern auch «ums Essen, ums Trinken und ums Spaß haben».
Ludwig ist dabei – wie könnte es anders sein – für die Führungen auf dem Fahrrad zuständig. Und radelt mit Gruppen gerne mal 500 Kilometer in sechs Tagen. «Das ist schon eine Leistung», sagt der frühere Teamchef vom Team Telekom, dem damals unter anderem Deutschlands einziger Tour-de-France-Sieger Jan Ullrich angehörte.
Doch natürlich werden auch Ludwigs berufliche Aktivitäten von der derzeitigen Coronavirus-Pandemie beeinflusst. «Der Mai fällt definitiv aus», sagt Ludwig, auch ein für Juni geplantes Rennen auf Rügen ist bereits abgesagt. «In der jetzigen Zeit ist es natürlich schwierig», sagt der frühere Profi, der seinen 60. Geburtstag gerne mit 60 Gästen gefeiert hätte. Doch auch das musste er notgedrungen absagen.
Bei der Tour gewann Ludwig neben drei Etappen einst das Grüne Trikot des besten Sprinters, auch heute verfolgt er den Radsport von seiner Heimat Gera aus noch so intensiv, dass er zu allen Kernthemen eine Meinung hat und gerne diskutiert. Die Zukunft seiner Sportart in Deutschland sieht er nicht gerade rosig. «Es ist kein Wille da, die Veranstalter zu unterstützen. Solange wir uns in einem Land bewegen, wo es sonst für alles Unterstützung gibt – wird es immer weniger werden», kritisiert er. Mit immer weniger Rennen werde es auch immer weniger Rennfahrer geben.
Profi-Radsport und die Tour de France werde es immer geben, betonte der Familienvater. Nur welche Rolle die Deutschen dabei spielten, sei für Ludwig eine andere Frage, wenn «immer weniger von unten nachkommt». Ein solcher Engpass könne irgendwann auch das führende deutsche Team Bora-hansgrohe betreffen. Auch die aktuelle Corona-Krise sieht Ludwig als riesige Herausforderung für den Radsport. «Es bringt Riesenprobleme mit, das ist vollkommen klar. Der Radsport ist ja nicht gesund, er lebt von der Radsport-Industrie.»
Während bis zum 1. Juni alle Rennen abgesagt sind, kämpft die Tour de France derzeit noch um eine Austragung in diesem Sommer. Teamchef Ralph Denk von Bora-hansgrohe sagte der dpa: «Sofern die Tour de France stattfindet, kommen wir mit einem blauen Auge davon. Die Tour ist das wichtigste Event im Jahr, nicht nur für uns, auch für unsere Sponsoren.» Sollte es so kommen, wäre Olaf Ludwig als TV-Zuschauer natürlich wieder dabei – nicht jeden Tag, aber doch regelmäßig.
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(dpa)