Megève (dpa) – Er erreichte das Ziel auf 1960 Metern Meereshöhe 31:31 Minuten nach dem Tagessieger. Als Fabian Cancellara die Ziellinie am Emosson-Staudamm passiert hatte, stieg er vom Rad – für immer bei der Tour de France.
29 Tage im Gelben Trikot, sieben Etappensiege bei elf Teilnahmen: der leise Abschied eines ganz Großen der Branche. Am Start in seiner Heimatstadt Bern hatte Cancellara aus den Händen des Tourchefs Christian Prudhomme das Relief der 17. Etappe als schöne Erinnerung bekommen.
«Er ist ein begnadeter Rennfahrer und ein angenehmer Mensch, der sich jetzt hier auch nicht zu schade war, für seinen Teamkollegen Bauke Mollema im Wind zu fahren», sagte Jens Ex-Profi Jens Voigt, der neun Jahre mit Cancellara zusammenfuhr.
Die Tage bis zu seinem von langer Hand geplanten Ausstieg («Ich bin müde») waren für den 35 Jahre alten Berner bei seiner letzten Tour nicht so schön verlaufen. Im Zeitfahren nach La Caverne war der Spezialist ohne Chance. Den Sprint in seine Heimatstadt drei Tage später beendete der vierfache Zeitfahr-Weltmeister und Olympiasieger von Peking auf Rang sechs. Das schwere Finale mit Kopfsteinpflaster sollte ihm eigentlich besonders entgegenkommen, aber Weltmeister Peter Sagan und vier andere waren schneller.
Ein Sieg zum Abschied vor der eigenen Haustür – das wäre es gewesen. Dafür freute sich der Kapitän des Trek-Segafredo-Teams über rote Luftballons in Herzform, die extra für ihn in den Himmel über der Landeshauptstadt gestiegen waren. Seinen bevorstehenden Abschied zum Ende des Jahres hatte er schon vor zwei Jahren verkündet.
Sein letztes großes Ziel sind die Olympischen Spiele in Rio. Auf die WM im Oktober in Katar verzichtet Cancellara. Wie Voigt wird er seinem Sponsor Trek weiter als Repräsentant ohne Rad dienen.
Seine große Zeit hatte sich im Vorjahr – begleitet von Problemen nach bösen Stürzen mit Wirbelverletzungen – dem Ende geneigt. An die Superform seiner Seriensiege bei der Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix (jeweils drei) kam der Klassiker-Spezialist nicht mehr heran. Kurz vor seinem Ausstieg aus der Tour 2015 nach einem Sturz hatte er zum letzten Mal das Maillot Jaune für einen Tag tragen dürfen.
«Die Tour hat mir viel gegeben und ich sage das nicht so einfach: Ich habe mir wirklich viele Gedanken gemacht vor dieser Entscheidung. Zu wissen, dass das meine letzten Kilometer bei der Tour de France waren, ist hart», sagte der Schweizer zum Abschied.
Am Ruhetag in Bern war Cancellara noch einmal zu nachtschlafender Zeit in die harte Realität des Profiradsports zurückgeholt worden: Doping-Kontrolle um 06.30 Uhr im Hotel. Wie wohl bei allen Großen seiner Generation wurden seine sportlichen Meriten auch von Schlagzeilen begleitet, die er sich nicht wünschte.
2006 hatte er die Zusammenarbeit mit dem höchst umstrittenen italienischen Mediziner Luigi Cecchini zugeben müssen, vier Jahre später konfrontierte ihn das italienische Fernsehen RAI mit Vorwürfen zum sogenannten Motordoping. Seine Siege bei der Flandern-Rundfahrt und in Roubaix hatten irgendwie ein bisschen verdächtig ausgesehen. Belastbare Beweise gegen ihn gab es nie, weder für chemische noch für mechanische Manipulation.
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(dpa)