Frankfurt/Main – Rückblickend würde sich Dietrich Thurau nicht noch einmal für den Radsport entscheiden. Als zu gefährlich, zu fordernd und zu quälend empfindet der gebürtige Frankfurter und frühere Weltklasse-Profi den Sport im Sattel, er würde heute eine andere Wahl treffen.
«Im Nachhinein würde ich Tennisprofi werden. Das macht mir mehr Spaß. Die Tour de France ist auch speziell, aber die Anstrengung ist unmenschlich. Das ist eine ganz andere Welt», sagte Thurau der Deutschen Presse-Agentur vor seinem 65. Geburtstag am 9. November.
Eine große Party plant er nicht. «Ich feiere gar nicht mehr groß meine Geburtstage», erzählt Thurau. Seine Söhne müssten arbeiten, und auch sonst stehe nicht viel an, weshalb «Didi» den Tag so angehen wird wie jeden anderen. «Ich gehe davon aus, dass ich Tennis spielen gehe.» Der frühere Radprofi mit dem Spitznamen «Blonder Engel» betreibt das Ballspiel mit dem Racket professionell, spielt im Verein, arbeitet mit einem Trainer und fliegt auch mal nach Manacor auf Mallorca, um in der Akademie von Weltklassespieler Rafael Nadal dazuzulernen.
Thurau hat sich jung und fit gehalten, auch mit bald 65 treibt er in seiner Wahlheimat auf der Schweizer Seite des Bodensees regelmäßig Sport, zum Beispiel im Fitnessstudio. Nur das Radfahren begeistert ihn im Alter nicht mehr so. «Daran habe ich die Lust verloren, das ist mir auch zu gefährlich mit den Autos», erzählt er. Die Entwicklungen im Profi-Radsport verfolgt er dafür noch immer mit großer Spannung vor dem Fernseher – egal, ob bei der Tour de France, der Vuelta oder bei den Frühjahrsklassikern.
Jahrelang war Thurau, der 1977 an 15 Tagen das Gelbe Trikot der Tour trug, am Bodensee Nachbar von Jan Ullrich, der dort aber nicht mehr wohnt. Nach einer schwierigen Zeit und einigen Eskapaden bei «Ulle», der als einziger Deutscher bislang das größte Radrennen der Welt gewann, sei der Kontakt zwischen den früheren Radprofis etwas weniger geworden, berichtet Thurau. «Er hat sich zurückgezogen. Ich habe aber gehört, dass es ihm wieder etwas besser geht. Das ist gut für ihn.»
Thurau ist in der Nachkriegsgeschichte der einzige deutsche Sieger beim Klassiker Lüttich – Bastogne – Lüttich, doch zwei aufgedeckte Dopingversuche bei der Tour 1980 und 1987 sowie die Prügel für einen Kommissär warfen Schatten auf die glänzende Fassade des deutschen Radfahrers. «Ich werde meinen Geburtstag ruhig genießen und mal auf die vergangenen Jahre zurückblicken», kündigte Thurau, der von 1974 bis 1989 insgesamt 15 Jahre lang als Profi aktiv war, an.
Danach versuchte Thurau, auch seine Söhne Björn und Urs in Richtung Leistungssport zu motivieren. Der 31 Jahre alte Björn trat mehrere Jahre für Profirennställe in die Pedale, er hörte erst nach dieser Saison auf und berichtet nun als Journalist und Moderator über Radsport. «Mit Sicherheit ist mein Vater jemand, dessen Wort immer gilt. Er ist niemand, der um den heißen Brei herumredet. Damit muss man auch klarkommen», sagt Björn Thurau. Den jüngeren Sohn Urs begleitete Thurau unter anderem beim Tennis, doch auch da sollte der große Durchbruch nicht gelingen.
Dem Rad-Giganten aus Frankfurt konnte dies genauso wenig anhaben wie ein paar verpatzte Geschäfte. «Ich muss sagen, im Sport habe ich eh viel erreicht. Bei den Immobilien habe ich Höhen und Tiefen erlebt. Ich bin jetzt zufrieden, wohne in schöner Lage und genieße jeden Tag, der kommt. Ich habe alles erreicht, was ich so wollte», sagt Thurau.
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(dpa)